Zu Gast in der Sternenbrücke

Unsere Kollegin Maike Neelmeier besuchte im Rahmen der Hamburger Hospizwoche das Kinder-Hospiz Sternenbrücke und formulierte in einem sehr persönlichen Bericht Ihre Eindrücke. Wir möchten Maike sehr herzlich dafür danken, dass Sie diese Reise mit uns geteilt hat. Aber lest selbst von Ihren Erlebnissen:

Neugierde, etwas Angst und eine große Gesprächsbereitschaft begleiteten mich auf dem Weg nach Rissen. Ich wurde sehr freundlich begrüßt von den Mitarbeiterinnen, die den Vortrag und die Führung durch das Haus der Sternenbrücke im Rahmen der Hamburger Hospizwoche organisiert haben. Mit Keksen und Getränken ausgestattet wurde ich mit den fast 30 weiteren Gästen in den Seminarraum gebracht.
Ute Nerge, die Leiterin der Sternenbrücke, begrüßte uns und durfte direkt von einer der Zuhörerinnen einen Check über 1000€ Spende entgegen nehmen. Toll!
Sie erzählte uns mit viel Herzblut über ihre Einrichtung, über besonders lustige oder auch traurige Situationen, die sie dort in den letzten Jahrzenten erlebt hat.
Entgegen der Meinung der meisten Menschen in meinem Umfeld, ist ein Kinder-Hospiz nicht ausschließlich zum Sterben da. Die Sternenbrücke bietet zu 75% Entlastungspflege an. Das bedeutet, dass die Kinder, die eine lebensverkürzende Krankheit haben, dort mit ihren Eltern an 28 Tagen im Jahr aufgenommen werden können. Die Eltern können dann mal durchatmen, Zeit für sich und/oder die Geschwister finden und werden durch die 35 Kinderkrankenpfleger/innen entlastet, die sich mit den 3 Kinderärzten und 2 Schmerztherapeuten um ihre betroffenen Kinder kümmern. Außerdem sind Pädagogen, Sozialpädagogen, Familientherapeuten, Seelsorger und Trauerbegleiter vor Ort. 500 Familien betreut das Team der Sternenbrücke im Jahr. Der Betreuungsschlüssel ist sehr hoch: 2 Kinder auf eine/n Pfleger/in in der Entlastungspflege und bei vollbeatmeten Kindern oder “finalen Kindern” steigt der Schlüssel auf 1:1.
Das gesamte Team, ob haupt- oder ehrenamtlich, hat eine spezielle Ausbildung von 10 Tagen durchlaufen, in der es viel zum Thema Trauerbegleitung, Umgang mit den Eltern und vor allem Geschwistern gelernt hat. Sie haben gelernt, jeden einzelnen Gast mit seinen Bedürfnissen wahr zu nehmen, die Ängste und Wünsche zu hören und auch an zu nehmen. Die Familie zu stärken, unter anderem auch mit Paartherapeuten, steht häufig im Vordergrund. Die Basis der Kinder, die am meisten Stabilität gibt, ist die Familie. Vor allem die Geschwister werden während des Aufenthaltes des kranken Geschwisterkindes besonders betreut. In der Sternenbrücke sind Erzieher angestellt, um auch hier eine Entlastung zu schaffen und Aufmerksamkeit geben zu können. “Die Geschwisterkinder tragen die größte Last”, so Frau Nerge, die außerdem betont, die Kinder haben in diesem Hause immer Vorrang. Natürlich gibt es auch viele Gespräche über das Sterben und den Tod. Wichtig sei es, dass man die Kinder, egal ob betroffen oder das Geschwisterkind, darüber aufklärt, sie mitnimmt, begleitet und viel erklärt, altersgerecht. Kinder haben häufig eine wenig dramatischere Idee vom Tod und können das fantasievoll annehmen und verarbeiten- wenn man altersgerecht mit ihnen spreche!
“Palliativ” bedeutet übrigens ummanteln, beschützen, betreuen, an der Seite sein, was Frau Nerge mit ihrem Team wörtlich zu nehmen scheint.
Keiner der Kinder müsse Schmerzen erleiden, keiner an Infusionen ans Bett gefesselt sein. Mit Hilfe der Schmerztherapeuten und Ärzte werden die Kinder mit Schmerzpflaster oder auch Schmerzlollis versorgt, sodass die sie wie andere Kinder spielen und die Zeit in der Sternenbrücke genießen können. Es kommt viel Homöopathie zum Einsatz. Jedes Kind hat eine Patientenverfügung, natürlich durch die Eltern nach ausführlicher Beratung festgelegt. “Sie sind wie eine Hebamme, nur andersrum”, bekam die Leiterin mal von einer Mutter gesagt. Dieses Zitat hat mich an diesem Nachmittag sehr berührt und zum Nachdenken gebracht, wieso das Kinder-Hospiz Sternenbrücke “nur” ein Modellprojekt in Norddeutschland sei und wieso es nicht noch viel mehr solcher Einrichtungen gibt. In ganz Deutschland gibt es nur 14 Kinder- Hospize und die Sternenbrücke ist in ihrer Art zu arbeiten einzigartig, sodass aus der ganzen Republik Familien mit ihren Kindern dort hin kommen.
Therapeuten kommen ins Haus, um die Kinder zu behandeln, z.B. auf dem Galileo oder im Therapiebad mit 33° C. Seit 6 Wochen hat das Haus eine eigene Physiotherapeutin angestellt, die für die Kinder, Geschwisterkinder, Eltern und auch Angestellte unersetzlich zu sein scheint.
Aktuell sucht die Sternenbrücke 4 Kinderkrankenpfleger/innen!
Das gesamte Team wird super vorbereitet auf ihre außergewöhnliche Aufgabe im Kinder-Hospiz und Frau Nerge betont, dass Freizeit gerade in diesem besonderem Fachbereich ganz wichtig sei, um Kraft zu sammeln und einen Ausgleich zu haben. Speziell für das Team gibt es im Falle des Todes eines der betreuten Kinder viele Rituale und auch eine jährliche “Abschiedsfeier”, bei der an die Sternenkinder der Brücke gedacht wird.
Das Kinder-Hospiz Sternenbrücke hat einen Förderverein mit aktuell ca 1400 Mitgliedern. Der ist absolut notwendig, genau wie Einzelspenden, da das Haus im Jahr 1,7 Mio € benötigt. Nur 50% der laufenden Kosten werden durch die Krankenkassen getragen, nämlich die direkte Versorgung der betroffenen Kinder.
Bei der Führung durften wir uns in den wunderschön gestalteten Räumen umschauen. Insgesamt ist alles sehr hell, in gelb und hellem Holz mit einigen blauen Akzenten gehalten. Funktionalität und Barrierefreiheit im gesamten Haus ist gegeben und ich hab mich wirklich wohl gefühlt in den Räumlichkeiten.
Wir haben die Einzelzimmer und Appartments, den Musiktherapie- und Bewegungsraum angesehen, das Therapiebad zumindest von außen angeschaut, den Snoezelen-Raum, das Kaminzimmer, den Abschiedsraum, die behindertengerechten Spielplätze, den Garten und und und anschauen dürfen.
Insgesamt war es eine sehr angenehme Stimmung dort. Sehr ruhig, ohne Hektik und ich bin mit einem positiven Gefühl nach Hause gefahren. Natürlich gab es bewegende Momente, aber angstfrei und durchweg positiv.
Wer sich selber mal ein Bild von den Räumlichkeiten und der Kinder-Hospiz-Arbeit machen möchte, kann am 1. Mai 12-18 Uhr zum “Tag der offenen Tür” gehen, das Haus ist in jedem Jahr an diesem Tag für Gäste und Interessenten geöffnet.

Eure Maike

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